Fakt ist: Das Internet ermöglicht uns, eine Vielzahl von Dienstleistungen, Angeboten und wichtigen Informationen in Anspruch zu nehmen – und das nur mit ein paar Klicks. Für manche Nutzer sind die Herausforderungen im Web jedoch riesig: Sie kämpfen mit Barrieren, mit denen andere Menschen erst gar nicht in Berührung kommen.
Hier kommt die digitale Barrierefreiheit ins Spiel. Nicht nur für Menschen mit Behinderung zum Beispiel ist sie der Dreh- und Angelpunkt für die digitale Teilhabe. Auch ältere Menschen oder Benutzer, die temporär oder situativ eingeschränkt sind, benötigen einen barrierefreien Zugang zu Websites, Onlineshops und Informationen, die es nur im Internet gibt.
Was ist digitale Barrierefreiheit?
Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass alle Menschen, unabhängig von ihren körperlichen oder geistigen Fähigkeiten, gleichberechtigten Zugang zu digitalen Ressourcen haben. Es geht also darum, das Internet für alle zugänglich und nutzbar zu machen. Allein in Deutschland lebten laut dem Statistischen Bundesamt im Juni 2022 rund 7,8 Millionen schwerbehinderte Menschen. Doch es gibt auch situative Beeinträchtigungen wie z.B. ein Unfall, eine Erkrankung oder andere vorübergehende Einschränkungen, die ein barrierefreies Internet erforderlich machen.
Es ist also wichtig, dass digitale Inhalte, wie Websites, Software, Apps oder Dokumente, für alle Menschen ohne Hindernisse zugänglich sind, unabhängig von körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen. Als Grundlage für digitale Barrierefreiheit dienen die Web Content Accessibility Guidelines 2.1 ( WCAG 2.1), auf denen auch die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung beruht.
Warum ist digitale Barrierefreiheit wichtig?
Für Menschen mit Behinderungen bedeutet digitale Barrierefreiheit:
- eine bessere Lebensqualität
- soziale Teilhabe, die vielleicht nur oder meist digital möglich ist
- ein “normales” Leben, das für Menschen ohne Einschränkungen selbstverständlich ist.
Die digitale Barrierefreiheit ist nicht nur eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, sondern auch ein rechtlicher und wirtschaftlicher Imperativ. Mit dem Barrierefreiheitstärkungsgesetz, das am 28. Juni 2025 in Kraft tritt, sind Anbieter von Produkten im Internet, aber auch Webseiten, die Dienstleistungen anbieten, verpflichtet, digitale Barrierefreiheit zu gewährleisten.
Das hat also auch wirtschaftliche Vorteile für Unternehmen: Digitale Barrierefreiheit erweitert die Reichweite von Websites und verbessert die Benutzererfahrung für alle. So gesehen erschließt sich auch für Anbieter von Dienstleistungen, Software oder Produkten in Online-Shops eine neue, große Zielgruppe.
Standards und Richtlinien für digitale Barrierefreiheit
Um digitale Barrierefreiheit im Web zu gewährleisten, tritt 2025 das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz in Kraft. Grundlage dafür sind die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.2), die dir einen umfassenden Überblick über die Anforderungen an barrierefreie Webinhalte bieten. Die Richtlinien beinhalten detaillierte Anweisungen und Kriterien, um die Zugänglichkeit zum Internet für alle sicherzustellen, unabhängig von ihren Fähigkeiten oder Einschränkungen.
Sie bestehen aus drei Ebenen der Konformität – A (niedrigste), AA (mittlere) und AAA (höchste) – und decken eine breite Palette von Anforderungen ab, von der Bildbeschreibung über Transkriptionen bis hin zu Tastaturzugänglichkeit.
Die Web Accessibility Initiative (WAI) ist eine Initiative des World Wide Web Consortiums (W3C), die sich für die Verbesserung der Zugänglichkeit des Internets für alle Nutzer einsetzt. Die WAI bietet Ressourcen und Leitlinien, einschließlich der WCAG, um diese Mission zu unterstützen. Durch die Förderung der Barrierefreiheit im Web trägt die WAI dazu bei, das Internet zu einem inklusiveren Raum zu machen.
Barrierefreies Internet: Was zeichnet eine barrierefreie Website aus?
Webseiten sollten so gestaltet sein, dass sie von allen Menschen, unabhängig von körperlichen oder kognitiven Fähigkeiten, genutzt werden können. Dies umfasst die Verwendung von leicht lesbaren Schriftarten und Kontrastfarben, die Bereitstellung von Untertiteln oder Alternativtexten für audiovisuelle Inhalte. Zudem musst du sicherstellen, dass alle Funktionen der Website über die Tastatur zugänglich sind. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Barrierefreiheit im Internet ist die Kompatibilität mit Assistenztechnologien wie Screenreadern.
Durch die Einhaltung der Standards und Richtlinien für Barrierefreiheit, wie sie in den Web-Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.2) festgelegt sind, kannst du als Website-Betreiber sicherstellen, dass deine Inhalte für alle zugänglich sind.
Es gibt verschiedene Arten von Beeinträchtigungen, die den Zugang zu digitalen Inhalten erschweren können. Jede erfordert spezielle Lösungen und Technologien zur Unterstützung. Generell kann man von drei Arten von Einschränkungen sprechen:
- Sinnes- und Körperbehinderungen
- Wahrnehmen und Verarbeiten von Informationen
- Eingeschränkte Fähigkeiten (mangelnde Technikkenntnis, Analphabetismus …)
Digitale Barrieren für Menschen mit Sehbehinderung und Blindheit
Menschen mit Sehbehinderungen und Blindheit können Schwierigkeiten haben, visuelle Inhalte zu interpretieren. Probleme können hier sein: schwache Kontraste und Größenprobleme wie zu kleine Buttons und Links. Blinde Menschen können z. B. keine Bilder erkennen und haben keinen Gesamtüberblick über die Website. Hochkontrastige Farbschemata, flexible Textgrößen und klare Layouts können Menschen mit Sehbeeinträchtigungen helfen, Webinhalte besser zu erkennen und zu verstehen.
Screenreader, die Bildschirminhalte vorlesen oder sie als Braille (Blindenschrift) ausgeben, helfen dabei, diese Barrieren zu überwinden. Wichtig ist hier, dass die Screenreader Bildbeschreibungen richtig lesen können, weil diese hinterlegt wurden. Dies gilt allerdings nicht für Bilder, die rein dekorative Zwecke erfüllen.
Barrieren für Menschen mit Schwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit
Menschen mit Hörproblemen haben Schwierigkeiten beim Verstehen von Audio und Video, vor allem von Sprache. Diese Nutzerinnen profitieren von Untertiteln und Transkriptionen für Audio- und Videoinhalte. Zudem kann Gebärdensprache in Videos oder Livestreams für diesen Benutzerkreis von Nutzen sein.
Nutzer, die unter Gehörlosigkeit leiden, können rein auditive Informationen aus Audio und Video gar nicht wahrnehmen. Leider sind technische Hilfsmittel bisher nicht so alltagstauglich, sodass Gebärdensprache und Untertitel das Mittel der Wahl sind bei der Umsetzung von digitaler Barrierefreiheit für gehörlose Menschen.
Hindernisse für Menschen mit motorischen Einschränkungen
Menschen mit dieser Form von Einschränkung können oft Arme und Hände nur eingeschränkt oder gar nicht nutzen. Das erschwert es ihnen zum Beispiel, kleine Buttons zu treffen oder lange Texte einzugeben. Diese Nutzer benötigen eine spezielle Maus und Tastatur, sowie Augen- und Sprachsteuerung.
Viele Links und Buttons lassen sich aber bedauerlicherweise nur mit der Maus ansteuern, sodass die Nutzerinnen die gewünschte Seite nur schwer oder gar nicht aufrufen können. Für Benutzer mit motorischen Einschränkungen sollte die Navigation auf der Website ohne die Verwendung der Maus möglich sein. Optionen zur Anpassung der Mausgeschwindigkeit und Spracheingabesoftware können ebenfalls hilfreich sein.
Barrieren für Nutzer mit kognitiven Einschränkungen
Eine große Gruppe an Nutzerinnen, die davon betroffen sind, sind Menschen mit Lernbehinderungen. Sie können z. B. komplexe Webseiten nicht oder nur schwer bedienen, weil sie die Informationsarchitektur dahinter nicht erfassen können. Auch verstehen sie Texte in Alltagssprache oft nicht. Hilfreich ist hier leichte Sprache. Du solltest auf deiner Website also am besten klare, einfache Sätze verwenden. Komplexe Informationen kannst du durch Infografiken oder andere visuelle Hilfsmittel unterstützen, um das Verständnis zu erleichtern.
Eine weitere Gruppe an Menschen, die von Störungen und Anfallsleiden betroffen sind, sind z. B. Autisten. Manche dieser Nutzer können starke Reize nicht oder kaum filtern. Aber auch Epileptiker oder Migräne-Patienten können von starken visuellen Reizen Anfälle bekommen. Was ihnen hilft, ist, Animationen zu blockieren. Dies kann aber die Webseite unbedienbar machen, sodass der Einsatz von flackernden oder schnellen Animationen nicht ratsam ist.
Die genannten Lösungen sind nur einige Beispiele für die Möglichkeiten, digitale Barrierefreiheit zu gewährleisten. Beachte, dass jede Person einzigartige Bedürfnisse hat und eine Lösung, die für eine Person funktioniert, nicht notwendigerweise für eine andere Person wirksam ist. Daher ist die kontinuierliche Testung und Anpassung deiner Website, Software oder Anwendungen entscheidend, um sicherzustellen, dass alle Nutzerinnen gleichberechtigten Zugang zu digitalen Inhalten haben.
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Zusammen mit Marc Haunschild (15+ Jahre Erfahrung im Testen auf digitale Barrierefreiheit) zeigen wir dir, wie du deine Webseite und die deiner Kunden schnell und effektiv testen kannst.
Vorteile barrierefreier Websites
Warum solltest du dich als Unternehmen dafür entscheiden, deine Webseite barrierefrei zu machen?
Mit einer barrierefreien Website erweiterst du deine Zielgruppe.
Barrierefreie Websites sind für alle zugänglich, unabhängig von individuellen Fähigkeiten oder Beeinträchtigungen. Dadurch erreichen sie eine breitere Zielgruppe und verbessern die Benutzererfahrung für alle. Als Betreiber eines Online-Shops zum Beispiel profitierst du von einem erweiterten Käuferkreis – jedoch wirkt sich die einfachere, verbesserte Nutzererfahrung auf alle Nutzerinnen aus.
Du punktest auf Google und hast Vorteile bei der Suchmaschinenoptimierung.
Barrierefreie Websites sind gut strukturiert und nutzen semantisches HTML. Dies verbessert ihre Auffindbarkeit durch Suchmaschinen und kann zu einem höheren Ranking führen. Zudem erhöhst du die Verweildauer auf deiner Website, was wiederum zu höheren Conversions führen kann. In einer Studie von Accessibilitychecker.org und Semrush 2023 konnten 66,1 % aller Domains ihren monatlichen, organischen Traffic um bis zu 50 % steigern, nachdem sie ihre Website digital barrierefrei gestaltet hatten.
Du stärkst dein Image und zeigst soziale Verantwortung.
Unternehmen, die Wert auf Barrierefreiheit legen, demonstrieren soziale Verantwortung und verbessern ihr öffentliches Image. Eine inklusive Website kann das Vertrauen deiner Nutzer stärken und deinen Markenwert erhöhen. Zudem wirst du attraktiver für zukünftige Arbeitnehmer.
Barrierefreiheit im Internet ist ein wichtiger Schritt zur digitalen Inklusion. Websites, die barrierefrei sind, tragen zur Chancengleichheit in unserer Gesellschaft bei und ermöglichen allen Nutzern den Zugang zu Informationen und Diensten.
Digitale Barrierefreiheit testen
Du kannst eine Vielzahl von Tools und Methoden zur Überprüfung der Barrierefreiheit deiner Website nutzen. Dazu gehören automatisierte Tools wie WAVE oder Accessibility Insights, die eine schnelle Überprüfung ermöglichen. Aber du kannst auch manuelle Methoden wie die Tastaturnavigation oder die Verwendung von Screenreadern nutzen, um ein umfassendes Bild der Barrierefreiheit einer Website zu erhalten.
Zur Überprüfung der WCAG-Kriterien bietet das WC3 Testmöglichkeiten in englischer Sprache. Schnelltests bieten das Projekt BIK für alle, und die Stiftung barrierefrei-kommunizieren. Allerdings können dir diese Tests nur einen groben Eindruck verschaffen und sind nicht so genau wie eine vollständige Testung.
Häufige Fehler und wie du sie vermeidest
Einige häufige Fehler sind:
- schlechter Kontrast,
- fehlende oder ungenaue Alt-Texte für Bilder
- die Unzugänglichkeit von Funktionen über die Tastatur
Diese Fehler kannst du vermeiden, indem du die Richtlinien für digitale Barrierefreiheit genau befolgst und regelmäßige Tests durchführst.
Insbesondere solltest du sicherstellen, dass das Design für alle leicht lesbar ist, dass wichtige Bilder alternative Texte haben und alle Funktionen der Webseite über die Tastatur erreichbar sind.
Rechtliche Aspekte der digitalen Barrierefreiheit
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz sieht vor, dass alle Verkäufer von Produkten ihren digitalen Geschäftsverkehr (E-Commerce) bis 2025 barrierefrei machen müssen. Dazu gehören nicht nur Onlineshops, sondern auch Websites, die Terminbuchungsoptionen anbieten (Friseur, Restaurant, etc …) Schließlich musst du auch über die Barrierefreiheit auf deiner Webseite informieren und sämtliche Identifizierungsmethoden, Authentifizierungsmethoden, elektronische Signaturen und Zahlungsdienste barrierefrei anbieten.
Es gibt eine Ausnahme für die Anbieter von (digitalen) Dienstleistungen, wenn sie weniger als 10 Mitarbeiter*innen haben oder weniger als Millionen Euro Umsatz machen.
Im Interview mit dem Rechtsexperten Stefan Breuer erklären wir dir ausführlich, worauf es rechtlich bei dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz ab 2025 ankommt.
Zukunft der digitalen Barrierefreiheit
Technologische Fortschritte bieten immer neue Möglichkeiten zur Verbesserung der digitalen Barrierefreiheit. Beispielsweise ermöglichen Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen die Entwicklung von Tools und Anwendungen, die spezifisch auf die Bedürfnisse von Menschen mit verschiedenen Arten von Behinderungen zugeschnitten sind. Diese technologischen Fortschritte haben das Potenzial, die digitale Kluft zu verringern und eine inklusive digitale Welt zu schaffen.
Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz bei der digitalen Barrierefreiheit?
Künstliche Intelligenz (KI) kann dabei helfen, digitale Zugänglichkeit zu verbessern, indem sie zum Beispiel automatisch Text in Sprache umwandelt für Menschen mit Sehbehinderungen, oder Gebärdensprache in Text für Gehörlose. KI kann auch dabei helfen, barrierefreie Designs zu erstellen, indem sie Benutzerinteraktionen analysiert und entsprechende Anpassungen vorschlägt. Auch beim Testing kann KI in Zukunft sehr nützlich sein. Doch auch hier gilt: Was der Mensch nicht erkennen oder interpretieren kann, wird auch die KI nicht können. Insofern ist das Bereitstellen wichtiger Informationen wichtig, damit Tools sie korrekt auslesen können.
Fazit zur digitalen Barrierefreiheit
Digitale Barrierefreiheit ist unerlässlich für die Schaffung einer inklusiven Gesellschaft. Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, das 2025 in Kraft tritt, müssen sich viele Unternehmen mit dem Thema ausgiebig beschäftigen. Am besten ist es, du startest jetzt schon damit, denn im Nachgang ist es viel schwerer (aber nicht unmöglich), eine Website barrierefrei zu gestalten. Du benötigst Hilfe bei der Umsetzung der digitalen Barrierefreiheit? Melde dich gerne bei uns!