Leider haben nicht alle Menschen die Möglichkeit, das Internet so zu nutzen, wie du und ich es tun. Warum nicht? Weil sich bisher wirklich kaum jemand darum gekümmert hat, seine Webseiten, Apps oder digitalen Inhalte zugänglich für alle zu machen.
Die meisten Webseiten sind nicht barrierefrei. Das bedeutet, dass sie Menschen mit Behinderung nicht ermöglichen:
- sich frei im Internet zu bewegen
- alle Informationen zu bekommen, die sie möchten
- ihre Lieblingsschuhe online zu kaufen.
Darum gibt es das Wort digitale Teilhabe. Digitale Teilhabe bedeutet, dass man allen Menschen ermöglicht, digitale Angebote und Services zu verstehen und zu nutzen – unabhängig ihrer physischen oder geistigen Fähigkeiten.
Und um der digitalen Teilhabe einen Schubs in die richtige Richtung zu geben, hat die Europäische Union das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz verabschiedet. Das Gesetz verpflichtet ab 2025 alle B2C-Firmen dazu, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu machen. Was das im Detail heißt und was das genau für dich bedeutet, das kannst du bei Interesse hier erfahren: Gespräch mit einem Anwalt über das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz
Mehr über den traurigen Zustand des Internets erfährst du übrigens hier: Wie viele Webseiten sind tatsächlich barrierefrei?
Digitale Teilhabe und ihre Probleme
Wie oben erwähnt, ist es einigen Gruppen oft nicht möglich, viele digitale Angebote überhaupt zu nutzen. Zu diesen Gruppen zählen unter anderem blinde Personen, Menschen mit Bewegungseinschränkungen, gehörlose Personen, Menschen mit Autismus oder Asperger und noch einige mehr. Man geht davon aus, dass ca. 10 % der Bevölkerung digitale Barrierefreiheit dringend brauchen und 30 % der Bevölkerung davon stark profitieren.
Warum das ein großes Problem ist, das immer wichtiger wird? Weil die Welt immer digitaler wird.
So ist jeder von uns in der heutigen Zeit schon fast gezwungen:
- Bankgeschäfte online zu erledigen
- die Steuer online abzugeben
- Terminbuchungen online zu machen
- und das Rewe-Prospekt nur noch online anzuschauen
All das online zu erledigen, ist ja auch supi – wenn man diese digitalen Angebote auch nutzen kann. Es bringt einer blinden Person nicht viel, wenn sie theoretisch jetzt online ihre Lebensmittel einkaufen kann, aber die Webseite es praktisch nicht zulässt. Damit sind wir genauso weit wie davor.
In einigen Fällen wird es mit der Digitalisierung sogar noch schlimmer. Viele ältere Menschen bekommen das zu spüren. Viele Banken, besonders in ländlichen Regionen schließen. Alles läuft digital, darum gibt es nicht mehr so viel Ansturm auf die lokalen Bankgeschäfte. Da die Angestellten jetzt nicht mehr ausgelastet sind, werden Mitarbeiter reduziert. Das Problem: Viele (natürlich nicht alle!) ältere Personen tun sich schwer oder haben sogar Angst, ihre Bankgeschäfte online zu erledigen. Jetzt stehen sie vor dem Dilemma, dass sie wegen der Digitalisierung keine helfende Bank mehr vor Ort haben und gleichzeitig nicht online ihre Überweisungen machen können. Sie sind also schlechter dran als vor der Digitalisierung.
Nicht, dass mich jemand falsch versteht. Ich liebe die Digitalisierung – offenkundig existiert unsere ganze Firma nur deswegen! Trotzdessen wird es Zeit, dass wir verstehen, dass wir nicht einfach alles digital machen können, ohne uns Gedanken über Menschen mit Beeinträchtigung/Behinderungen zu machen.
(Zur Warnung: So wie die Zahlen aussehen, wird die Generation 50+ bald die Mehrheit sein. Wir haben also nicht mehr so viel Zeit, das Internet zugänglich zu machen, bevor die wütende Mehrheit es uns abschaltet!)
Das Problem mit der Barrierefreiheit gilt übrigens nicht nur für Software, sondern auch für Hardware. Unsere Laptops, Smartphones, Wearables usw. müssen barrierefrei werden (da ist Apple zum Glück schon auf hervorragendem Weg). Und auch Dinge, wie Selbstbedienungskassen im Supermarkt, sollten von jedem bedienbar sein – was oftmals nicht nur ein Software-Problem ist, sondern die ganze Konstruktion der Kassen zum Beispiel nicht wirklich rollstuhlgerecht ist.
Auch wenn es das Internet jetzt schon eine ganze Weile gibt, stehen wir mit der digitalen Teilhabe in vielen Gebieten noch ziemlich am Anfang. Das spiegelt sich gut in Onlineshops wider, von denen vielleicht gerade mal 10 % barrierefrei sind.
Banken haben glücklicherweise schon lange strenge Regeln und auch öffentliche Stellen haben bereits seit 2018 Gesetze dafür. (Bei den öffentlichen Stellen kümmert sich allerdings trotzdem kaum jemand darum. Hier ist zum Beispiel ein Überblick darüber, wie barrierefrei Bayern ist: Zum Artikel über die Barrierefreiheit von Bayern.)
Die positive Sache: Wir merken zumindest einen Aufschwung in der Inklusionsbewegung. Menschen sind intrinsisch immer mehr motiviert dazu, Menschen mit Behinderung mehr einzuschließen. Und das wird auch mit der kommenden Generation immer mehr werden. Und die Inklusion ist auch für innovative Firmen übrigens von immer größerer Bedeutung: Zum Artikel über Inklusion als Chance für dein Unternehmen.
Das bringt uns zu den guten Seiten und den Erfolgen der digitalen Teilhabe.
Welche guten Seiten hat die Digitalisierung?
Der technologische Fortschritt ist in vielen Bereichen wahnsinnig positiv für Menschen mit Behinderungen. Die Anzahl von assistiven Technologien, die Menschen dabei helfen, ihr Leben selbstbestimmter zu leben, wächst ständig.
Beispiele assistiver Technologien und andere Vorteile der Digitalisierung für Menschen mit Behinderungen:
- Die sogenannte Sip-and-Puff-Technologie hilft Menschen mit Querschnittslähmung zu kommunizieren oder einen Knopf / Button zu klicken.
- Braillezeilen helfen blinden Menschen dabei, digitale Inhalte zu lesen
- Durch die Live-Übertragung von Gebärdensprache können gehörlosen Menschen in Tirol das Parlament nachverfolgen.
- Angebote wie die Wheelmap helfen Menschen im Rollstuhl dabei, herauszufinden, welche Örtlichkeiten wirklich zugänglich für sie sind. Zur Webseite der Wheelmap.
- Nachrichten-Dienste wie NachrichtenLeicht ermöglichen es Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, Nachrichten zu konsumieren. Zur Webseite von NachrichtenLeicht
- und vieles mehr
Wie das in Aktion aussehen kann, zeigt Apple in folgendem berührendem Video: (Achtung, bringt Menschen zum Weinen!)
Was kann jeder Einzelne tun, um digitale Teilhabe voranzutreiben?
Um digitale Teilhabe voranzutreiben, kannst du dich zum Beispiel darum kümmern, deine digitalen Inhalte barrierefrei zu machen. Das fängt bei Social Media Posts an, über deine Webseite, bis hin zu PDFs. Alles, was du digital veröffentlichst, sollte so barrierefrei wie möglich sein.
Wie du damit starten kannst, erfährst du in folgenden Beiträgen:
- Einführung in barrierefreie PDFs
- 103 Tipps für digitale Barrierefreiheit
- Die Grundlagen von barrierefreiem Design
- Dein barrierefreier Marketing-Funnel
- Barrierefreie Blogeinträge mit WordPress erstellen
- UI / UX für ältere Menschen verbessern
Aber auch Menschen, die nicht direkt digitale Medien erstellen, können etwas tun, um die digitale Teilhabe zu fördern. Besonders hilfreich kann es sein, Menschen den Umgang mit digitalen Geräten beizubringen:
- Kurse über die Nutzung von Smartphones, Laptops, Tablets für ältere Menschen
- Kurse über Kriminalität im Internet und worauf man achten muss (besonders für ältere Menschen)
- Kurse über den Einsatz und Umgang mit assistiven Technologien
Vortrag zu digitaler Teilhabe
Die evangelische Kirche hatte mich gebeten, einen Vortrag über genau dieses Thema zu halten. Hier findest du die Aufzeichnung von dem Vortrag. Dort gehe ich noch mal sehr detailliert auf die einzelnen Bereiche ein, die ich in diesem Artikel zusammengefasst habe.