Gehirngerecht Digital

Was ist Audiodeskription?

Veröffentlicht am 18. April 2025
Autor*in: Tobias Roppelt
Unser blindes Maskottchen Manfred trägt Kopfhörer und lächelt glücklich.

Besonders für Menschen, die blind oder sehbehindert sind, gehen visuelle Informationen in einem Video oft verloren – es sei denn, es gibt eine Audiodeskription.


Wenn du ein Video anschaust, nimmst du viele Informationen über die Augen auf:

  • Wer steht wo?
  • Wie schauen die Leute?
  • Was passiert im Hintergrund?
  • Und vieles mehr.

Damit diese visuellen Informationen auch für alle zugänglich sind, braucht es eine Audiodeskription. Audiodeskription bedeutet kurz gesagt: Jemand beschreibt, was im Bild passiert, wenn niemand spricht.

So wird zum Beispiel in einer Sprechpause in einem Krimi gesagt:
„Eine Frau mit rotem Schal betritt das Zimmer. Sie schaut sich nervös um.“

Durch solche Beschreibungen können blinde und sehbehinderte Menschen der Handlung folgen – auch wenn gerade niemand spricht.

Audiodeskriptionen gibt es für Filme, Serien, Theater, Live-Events oder Social-Media-Videos. Manchmal als eigene Tonspur, manchmal als separates Video – und manchmal sogar live!

Wer braucht Audiodeskription?

Wie gerade schon erwähnt, hilft Audiodeskription in erster Linie blinden und sehbehinderten Menschen. Audiodeskription kann aber auch für Menschen mit kognitiven Einschränkungen eine Hilfe sein, um den Inhalten des Videos besser zu folgen oder Menschen, die gerade Deutsch lernen, eine weitere Möglichkeit bieten, die Sprache schneller und besser zu verstehen.

Audiodeskription und digitale Barrierefreiheit

Auch in der EN 301 549 und in den WCAG-Kriterien gibt es Anforderungen für Audiodeskription. Bedauerlicherweise gibt es dazu gleich mehrere Anforderungen, die offen gesagt, zu Beginn etwas verwirrend sein können. Die wichtigsten WCAG-Kriterien (von Level A & AA) dazu sind:

1.2.3 – Audiodeskription oder Text-Alternative (Stufe A)

Dieses Kriterium sagt, dass es entweder eine Audiodeskription oder eine ausführliche Textbeschreibung (Volltext-Alternative) für ein Video geben muss.

Zwei Möglichkeiten: Einmal Audiodiskreption und einmal Voll-Text als Alternative

Dieses Kriterium ist allerdings nur Level A. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes bzw. die EN 301 549 schreibt aber vor, dass wir uns auch an das Level AA der WCAG halten müssen. Darum kann man dieses Kriterium ignorieren, weil das gleich folgende Doppel-A-Kriterium dieses A-Kriterium in Bezug auf Audiodeskription eigentlich aushebelt.

1.2.5 – Audiodeskription (Stufe AA)

Bei diesem Doppel-A-Kriterium reicht eine einfache Text-Alterantive eben nicht mehr – du musst eine Audiodeskription anbieten.

Eine Audiodeskription für Videos ist dann erforderlich, wenn nur über visuelle Inhalte im Video Informationen übermittelt werden, die für das Verstehen des Videos wichtig sind.

Ein klassisches Beispiel sind hier Erklärvideos. Hier werden Dinge oft nur durch Bilder gezeigt, die aber nicht von einem Sprecher beschrieben oder benannt werden. Diese Videos brauchen jetzt eine Audiodeskription.

Ein Illustration von einem Video. Es stehen zwei Figuren im Video. Einmal ein blaues Viereck und ein grünes Rechteck. Dazu ist eine Audiodeskription visualisiert. Es steht "Eine blaue Figur steht vor einer Grünen. Sei starren sich seit Minuten an."

Es gibt allerdings auch hier Ausnahmen und Videos, die keine Audiodeskription brauchen. Videos benötigen keine Audiodeskription, wenn:

  • Der Inhalt der Videos nur schwer oder wenn die synchrone Wahrnehmung von Bild und Ton für das Verständnis des Videos nicht erforderlich ist
  • Wenn das Video keine Tonspur hat (Dafür gibt es ein eigenes Kriterium: 1.2.1 Alternativen für Audiodateien und stumme Videos)
  • Gebärdensprachvideos

Neben den WCAG-Kriterien gibt es aber auch eine Liste von Kriterien aus der EN 301 549, die für die Video-Player noch hinzukommen.

(Der WCAG-Kenner wird jetzt skeptisch anmerken: „Aber es gibt noch ein Kriterium für Audiodeskription für Live-Übertragungen!“ – das stimmt, aber das werden wir hier mal getrost vernachlässigen.)

Anforderungen der EN 301549 für Audiodeskription

Im »Kapitel 7: Videofähigkeit« der EN 301 549 findet man einige Kriterien, die Video-Player erfüllen müssen, damit sie als barrierefrei gelten. Die Anforderungen in Bezug auf Audiodeskription darin sind:

  • 7.2.1 Wiedergabe von Audiodeskription
  • 7.2.2 Synchrone Audiodeskription
  • 7.2.3 Erhaltung von Audiodeskription
  • 7.3 Bedienelemente für Untertitel und Audiodeskription

Im Prinzip fordern diese Kriterien, dass der Video-Player Audiodeskription wiedergeben und synchron halten können muss.

Das größte Problem liegt bei 7.3 Bedienelemente für Untertitel und Audiodeskription. Dieses Kriterium besagt nämlich, dass der Button zum Aktivieren von Audiodeskription und Untertiteln auf derselben Ebene platziert sein muss wie der Pause- und Play-Button.

Der einzige Player, der das momentan umsetzen kann, ist der »Able-Player«. Allerdings gibt es viele Diskussionen über dieses Kriterium – und ob es in der Praxis wirklich sinnvoll ist.

Der YouTube-Player zum Beispiel erfüllt dieses Kriterium derzeit nicht. Der Player ermöglicht zwar, die Audiospuren umzuschalten, das braucht allerdings einen oder zwei Klicks mehr als bei den Untertiteln. Ob das wirklich ein Problem ist, wird gerade noch diskutiert.

Brauchen jetzt alle Videos auf meiner Webseite eine Audiodeskription?

Das ist eine heiß diskutierte Frage. Die Wurzel des Problems liegt darin, dass man sich grundsätzlich nicht einig ist, ob die gesamte Webseite barrierefrei sein muss oder nur der eigentliche Betriebsprozess. Es gibt noch keine eindeutige Antwort auf diese Frage.

Nach dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird jedoch davon ausgegangen, dass die gesamte Webseite barrierefrei gestaltet sein sollte. Wenn das der Fall ist, dann muss auch jedes Video auf der Webseite eine Audiodeskription enthalten – sofern es eine benötigt.

Ein Video, in dem es keine visuellen Informationen gibt, die nicht auch durch Sprache vermittelt werden oder die nicht für das Verständnis nötig sind, braucht keine Audiodeskription. Daher ist nicht jedes Video betroffen. Auch ein stummes Video – wie oben bereits erwähnt – benötigt nicht zwangsweise eine Audiodeskription.

Illustration eines stummen Videos und eines abstrakten Videos, bei dem die Information nicht für das Verständnis nötig ist.

Man sollte jedoch unbedingt darauf achten, ob in einem geplanten Video Informationen ausschließlich visuell übermittelt werden. Besonders Produktvideos und Werbevideos auf Webseiten fallen unter die gesetzlichen Regelungen und müssen mit einer Audiodeskription versehen sein.

Was ist mit älteren Videos, die schon produziert wurden?

Auch diese müssen nach unserem Wissensstand mit einer Audiodeskription versehen werden.

Man kann sich vielleicht auf eine Ausnahme für Archive berufen, wenn sich das Video auf einer Seite befindet, die nicht mehr aktualisiert und nur selten aufgerufen wird (z. B. Hochschularchive, Archive von Filmwebseiten etc.). Für Onlineshops und aktive Webseiten, die ein Produkt verkaufen wollen, ist das eher nicht der Fall.

Beispiele von Videos mit Audiodeskription

Video: Tatort mit Audiodeskription. In der ARD-Mediathek findet man Videos mit Audiodeskription, zum Beispiel den Tatort. Um die Audiodeskription einzuschalten, musst du auf das Sprechblasen-Icon („Sprache und Barrierefreiheit“) klicken und dann die Sprache „Deutsch Audiodeskription“ auswählen.

Und hier ist noch ein Beispiel für ein YouTube-Video mit Audiodeskription.

YouTube

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Wie muss ich die Audiodeskription bereitstellen?

Wie du in den beiden oberen Video-Beispielen schon erkennen kannst, kann man Audiodeskription auf mehreren Wegen bereitstellen:

Art der Audiodeskription (AD)VorteileNachteile
IntegriertAlle Informationen direkt im Video enthalten, ohne zusätzliche AD. Dadurch ist kein nachträgliches Überarbeiten nötig.Es braucht ein Briefing der Person, die das Video aufnimmt. Das Video wird eventuell länger durch integrierte Beschreibungen von Bildern.
Mit zweiter TonspurDas Video behält ursprüngliche LängeEs sind nur kurze ADs möglich. Eine Nachbearbeitung ist notwendig.
ErweitertAusführlichere ADs sind möglichNachbearbeitung ist notwendig. Dem Video müssen Standzeiten hinzugefügt werden. Das Video wird dadurch verlängert.
Art der Audiodeskription mit Vor- und Nachteilen

Alle diese Varianten sind zulässig, wenn es um digitale Barrierefreiheit geht. Mehr dazu findest du in diesem Leitfaden zur Erstellung von Audiodeskription (nicht barrierefreies PDF)

Wie erstelle ich eine Audiodeskription?

Wenn du selbst eine Audiodeskription für deinen Inhalt erstellen willst, kannst du Folgendes tun:

  1. Inhalte des Videos analysieren:
    Was passiert im Bild, das nicht über den Ton erklärt wird?
  2. In Sprechpausen sprechen:
    Die Beschreibung darf den Dialog nicht stören.
  3. Klar und neutral bleiben:
    Keine Interpretation – einfach sagen, was sichtbar ist.
  4. Auf den Punkt kommen:
    Die Zeit ist knapp. Sag nur das, was wirklich wichtig ist.
  5. Einsprechen oder einsprechen lassen:
    Am besten mit einer echten Stimme!

Beispiel:
Im Originalvideo ist nur Musik zu hören, während eine Frau langsam ein Fenster schließt. Die passende Audiodeskription dazu wäre zum Beispiel: „Eine Frau mit Locken zieht das Fenster zu und blickt gedankenverloren nach draußen.“

Gibt es nützliche Hilfen beim Erstellen?

Momentan ist uns leider kein Tool bekannt, das dir beim Erstellen von Audiodeskription helfen kann. Natürlich hilft gängige Video-Software, um unter anderem Standbilder einzufügen, in der die Audiodeskription dann eingesprochen werden kann.

Dazu zählen:

Es gibt natürlich auch Dienstleister, die sehr coole Videos machen und dazu Audiodeskription gleich mitliefern. Hier können wir das wundervolle Team von Lichtspieler.tv sehr empfehlen. Wir arbeiten gerade selbst mit dem Team an einem Erklärvideo für Alt-Texte – inklusive Audiodeskription. Sobald es fertig ist, wird es hier auch verlinkt!

Audiodeskription durch KI

Da Audiodeskriptionen sehr viel Arbeit mit sich bringen, klingt es auch hier erst ein Mal verlockend, KI zur Hilfe zu holen. Auch hier muss man aber klar feststellen, dass die noch nicht so weit ist. Eine Software, die komplette Audiodeskriptionen automatisch erstellt, ist uns momentan daher auch im Moment nicht bekannt.

Große Unternehmen, wie Microsoft, bieten seit einiger Zeit Apps an, die in sogenannten Szenebeschreibungen Bewegtbild zu gesprochenem Text machen. Doch auch die stecken noch in den Kinderschuhen. Für den Moment gilt also für Audiodeskriptionen das Gleiche wie für Alt-Texte: Du kannst dir von KI zuarbeiten lassen, sie kann den Job allerdings bisher nicht für dich erledigen und muss unbedingt kontrolliert werden. Ansonsten wird sie zur Fehlerquelle und die Arbeit ist umsonst.

Fazit zu Audiodeskription

Die Anforderungen der EN 301 549 und der WCAG zum Erstellen von Audiodeskriptionen können aufwendig sein – besonders auch für Onlineshops. Es ist deshalb wichtig, schon bei der Planung eines Videos genau darauf zu achten, welche Informationen darin vorkommen.

Wenn geplant ist, dass im Video Informationen enthalten sind, die visuell einen Mehrwert bieten, ist der einfachste Weg, dafür zu sorgen, dass diese Informationen bereits vom Sprecher oder der Sprecherin im Video benannt werden. Ein klassisches Beispiel ist der Name einer interviewten Person. Dieser wird oft eingeblendet, aber nicht explizit ausgesprochen. Dieses Detail sollte bereits in der Videoplanung berücksichtigt werden, sodass das Video im Nachhinein nicht noch aufwendig nachbearbeitet werden muss, um den Namen „zwanghaft“ ins Video zu quetschen.

Wie bei so vielem in der digitalen Barrierefreiheit gilt auch hier: Wer schon bei der Planung mitdenkt, spart sich im Nachgang viel Zeit und Arbeit.

Häufige Fragen zum Thema

Tobias Roppelt lacht in die Kamera.

Über Tobias Roppelt

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