Rechtlicher Rahmen
Die EU verpflichtet öffentliche Stellen dazu, ihre Websites und mobilen Apps barrierefrei zu gestalten. Jedes Land der EU ist dafür verantwortlich, diese Richtlinie für sich selbst umzusetzen.
In Deutschland werden die Vorgaben der EU-Richtlinie auf Bundesebene durch das Behindertengleichstellungsgesetz und die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) 2.0 umgesetzt. Für öffentliche Stellen auf Landes- oder kommunaler Ebene gelten entsprechende Landesgesetze zur barrierefreien Informationstechnik. Welches Bundesland sich nach der BITV richtet, kannst du hier nachlesen.
Das Ganze gilt seit September 2020. Die öffentlichen Stellen deiner Stadt sollten also inzwischen digital barrierefrei sein.
Was passiert, wenn öffentliche Stellen die Frist nicht einhalten?
Die Antwort ist kurz und einfach – nichts. Die Verantwortung wird nämlich auf die Endnutzer*innen übertragen. Das folgende Video gibt dir einen Einblick über den Prozess:
Kurz gesagt, du und ich sind dafür verantwortlich, öffentliche Stellen über ihre Aufgaben in Bezug auf digitale Barrierefreiheit zu informieren, Barrieren zu melden und weiterzutragen, wenn sich die öffentliche Stelle nicht darum kümmert. Beschwerdestellen können keine Sanktionen verhängen.
Klagen kommen nur dann zustande, wenn sich die statistisch erhobenen Beschwerden häufen.
Wie zuverlässig funktioniert das?
Du ahnst es wahrscheinlich – nicht besonders gut. Weil wir wissen wollten, wie barrierefrei das digitale Angebot unserer Stadt ist, haben wir uns die Webseite einfach angeschaut. Und was haben wir gefunden? Nichts. Nicht mal eine Erklärung zur Barrierefreiheit. Da haben wir uns ordentlich die Augen gerieben, denn immerhin sind wir in der drittgrößten Stadt Bayerns zu Hause!
Ausnahme oder die Regel in Bayern?
In Bayern gilt die bayerische E-Government-Verordnung, welche auf die BITV verweist. Die BITV verlangt unter anderem, dass eine Webseite durch eine Erklärung zur Barrierefreiheit über den aktuellen Zustand der Barrierefreiheit informiert und eine Kontaktperson für die Annahme von Beschwerden bezüglich Barrieren bekannt gibt.
Deshalb haben wir uns hingesetzt und alle Städte in Bayern herausgesucht. Insgesamt sind das 317 Stück. Die gute Nachricht: jede dieser Städte hat eine eigene Webseite. Bürger*innen können sich also online über alles Mögliche informieren und auf etwaige Services zugreifen.
Im Zuge unserer kleinen Analyse haben wir geschaut, wer überhaupt eine Erklärung der Barrierefreiheit hat. Die Liste aller Städte mit zugehöriger Webseite findest du hier.
Unsere Anforderungen waren nicht anspruchsvoll. Wir haben vorhandene Erklärungen weder auf Vollständigkeit noch auf Qualität geprüft. Wir haben nur geschaut, ob das Dokument überhaupt vorhanden ist und wenn ja, ob es die erforderliche Kontaktperson enthält und sich minimal auf Vereinbarkeit mit der BITV bezieht.
Das Ergebnis:
Von allen bayerischen Städten haben schlappe 230 keine Erklärung zur Barrierefreiheit. Das macht 72,5 % aus. Ein sehr mageres Ergebnis. In Anbetracht des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes, das 2025 für Unternehmen in Kraft tritt, sollte man meinen, öffentlichen Stellen gehen als gutes Vorbild voran.
Was uns zusätzlich zum Nachdenken gebracht hat: Sehr viele unter diesen Webseiten verwenden Overlay-Techniken, um zusätzliche Barrierefreiheitsfunktionen anzubieten. Leider erreichen diese Tools oft das Gegenteil und machen Webseiten für Menschen mit Behinderung unbrauchbar. Die Problematik ist auch hinlänglich bekannt und wurde von Experten ausführlich diskutiert. Mehr zu diesem Thema findest du im Overlay Fact Sheet.
Es ist noch ein langer Weg zu gehen, Bier ist hier ausnahmsweise nicht die Lösung.