Leichte und Einfache Sprache: Was ist der Unterschied?

Veröffentlicht am 5. November 2023
Autor*in: Andrea Halbritter
Text auf Bild: Endlich den unterschied kennen.

Leichte und Einfache Sprache werden oft miteinander verwechselt oder als Synonyme betrachtet. Bei beiden Varietäten handelt es sich um vereinfachte Sprachformen des Deutschen. Was aber unterscheidet Leichte und Einfache Sprache? Welche Merkmale Leichte Sprache aufweist und wodurch Einfache Sprache gekennzeichnet ist, erfährst du in diesem Artikel.

Welche Regeln gibt es für Einfache bzw. Leichte Sprache?

Leichte Sprache ist streng geregelt. Es existieren mehrere durchaus vergleichbare Regelwerke mit unterschiedlichem Umfang:

  • das Regelwerk des Netzwerks Leichte Sprache e. V.
  • das Regelwerk der Forschungsstelle Leichte Sprache der Universität Hildesheim
  • die DIN SPEC Leichte Sprache
  • die Regeln zum Übersetzen in Leichte Sprache von Inclusion Europe
  • die BITV 2.0 (Barrierefreie-Informationstechnik Verordnung)

Geregelt werden sowohl Sprache als auch Schriftart und Layout. Am ausführlichsten sind die ersten drei Regelwerke.

Sie besagen zum Beispiel:

  1. Ein Satz darf nur eine Aussage enthalten.
  2. Sätze müssen so kurz wie möglich sein und dürfen bei einer Schriftgröße von mindestens 14 zwei Zeilen nicht übersteigen.
  3. Sätze dürfen nur leichte Wörter enthalten.
  4. Texte müssen illustriert werden, wobei Illustrationen das Textverständnis erleichtern. Sie dienen nicht der „Dekoration“.
  5. Vermeiden Sie Verneinungen (Zum Artikel über Verneinungen!)

Du möchtest wissen, was Leichte Sprache sprachlich sonst noch ausmacht? Auf meinem Blog findest du hierzu zahlreiche Artikel, zum Beispiel: Zum Artikel über Leichte Sprache: Weniger ist mehr

Für Einfache Sprache gibt es keine strengen Regeln, sondern lediglich Empfehlungen, für welche an der DIN 8581-1 gearbeitet wird.

Was ist leichter: Einfache oder Leichte Sprache?

Bei Leichter Sprache handelt es sich um die am meisten vereinfachte und damit am besten verständliche Sprachform des Deutschen. Einfache Sprache ist näher an der Standardsprache, existiert aber in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Das heißt: Einfache Sprache wird in ihrem Schwierigkeitsgrad genau an die Hauptzielgruppe eines Textes angepasst. Die am stärksten vereinfachte Form von Einfacher Sprache wird auch als Leichte Sprache Plus bezeichnet (Zum Artikel über Leichte Sprache Plus.

Klingt verwirrend? Damit du beide Sprachformen auseinanderhalten kannst, habe ich dir in diesem Artikel mehrere Tipps zusammengestellt: Die besten Eselsbrücken für Leichte und Einfache Sprache

Was sind die Zielgruppen Einfacher und Leichter Sprache?

Zielgruppe von leichter Sprache: Menschen mit geistiger Behinder, Menschen mit Demenz, Gehörlose

Für das Netzwerk Leichte Sprache e. V. richtet sich Leichte Sprache vor allem an Menschen mit einer geistigen Behinderung. In der Literatur ist häufig auch von „Personen mit Lernschwierigkeiten“ die Rede, eine Eigenbezeichnung, die viele Menschen mit einer geistigen Behinderung bevorzugen. Hinzu kommen Menschen mit Demenz oder Aphasie. Für Sprachwissenschaftler*innen der Universität Hildesheim zählen von prälingualer Gehörlosigkeit Betroffene zur Hauptzielgruppe Leichter Sprache. Muttersprache dieser Personen ist die Deutsche Gebärdensprache.

Daneben profitieren andere Menschen von Leichte-Sprache-Texten, so zum Beispiel funktionale Analphabet*innen, Menschen, die aufgrund einer Erkrankung dauerhaft oder vorübergehend standarddeutsche Texte nicht verstehen und Personen mit geringen Deutschkenntnissen. Ein sehr heterogener Personenkreis! Geschätzt wird, dass in Deutschland etwa 11 bis 12 Millionen Menschen dauerhaft oder vorübergehend Infos in Leichter Sprache benötigen. Eine stattliche Zahl …

Einfache Sprache richtet sich je nach Vereinfachungsgrad hauptsächlich an Personen aus sogenannten „bildungsfernen Schichten“, Deutschlernende mit fortgeschrittenen Deutschkenntnissen, Jugendliche mit Zweitsprache Deutsch, Menschen mit einer leichten geistigen Behinderung … Oft machen wir die Erfahrung, dass auch Menschen, die Standarddeutsch und Fachsprache verstehen, bei Museumsbesuchen Texte in Einfacher Sprache bevorzugen.

Wie entstehen Leichte und Einfache Sprache?

Idealerweise sollten sowohl Leichte- als auch Einfache-Sprache-Texte von ihrer Hauptzielgruppe geprüft werden. Das Netzwerk Leichte Sprache e. V. und Inclusion Europe schreiben eine solche Prüfung für Leichte Sprache sogar vor. Leichte-Sprache-Texte, die das Easy-to-Read-Label von Inclusion Europe bekommen sollen, müssen von mindestens einer Person mit einer geistigen Behinderung und einer Sprachassistenz auf Verständlichkeit geprüft sein. Das Netzwerk Leichte Sprache e. V. schreibt mindestens zwei Prüfer*innen mit einer geistigen Behinderung vor.

Wie beim Prüfen genau vorgegangen wird, ist bisher nicht geregelt. Und so verfährt jede*r Übersetzer*in beziehungsweise Texter*in etwas anders. Für mich hat es sich bewährt, mit den Prüfer*innen einzeln zu prüfen, wobei ich die Prüfer*innen meine Leichte-Sprache-Texte laut vorlesen lasse. So bemerke ich bereits beim Vorlesen, mit welchen Wörtern oder Sätzen sich meine Prüfer*innen schwertun:

  • Wo habe ich zu lange Wörter gewählt?
  • Wo muss ich zur besseren Lesbarkeit einen Bindestrich oder Mediopunkt einbauen?
  • Wo passt der Rhythmus des Satzes nicht?
Eine Illustration einer Lehrerin, die auf etwas zeigt, mit einem Stab. Daneben stehen noch mal die drei Fragen zu Leichter Sprache aus der Liste oben.

Anschließend stelle ich offene Verständnisfragen und kontrolliere, ob die Hauptbotschaften meines Leichte-Sprache-Textes erfasst wurden. Teils schlagen auch meine Prüfer*innen einfachere Erklärungen vor oder fordern Ergänzungen. Nicht nur die Sprache muss geprüft werden, sondern auch die Bilder, die Schriftarten, die Kontraste und bei Webseiten auch die Navigation.

Ich persönlich binde die Hauptzielgruppe Leichter Sprache – wo immer möglich – bereits bei der Entstehung der Texte ein und frage meine Prüfer*innen, welche Infos sie zu bestimmten Themen interessieren. Auf diese Art sind zum Beispiel die beiden Leichte-Sprache-Texte zu Stolpersteinen oder kurze Leichte-Sprache-Texte zum Thema Archiv entstanden.

Die Expert*innen der Universität Hildesheim arbeiten bei der Erstellung von Leichte-Sprache-Texten nicht systematisch mit Menschen aus der Hauptzielgruppe zusammen. Stattdessen setzt man in Hildesheim auch auf technische Tools, die messen, wie leicht verständlich ein Text ist. Zum Einsatz kommen zum Beispiel die Software TextLab von ComLab oder Kontrollwerkzeuge aus dem Bereich der technischen Redaktion.

Bei der Erstellung von Einfache-Sprache-Texten werden Vertreter*innen der Hauptzielgruppen nicht systematisch beteiligt. Dennoch gibt es verschiedene Anbieter*innen, die auch in Einfacher Sprache mit Prüfgruppen – zum Beispiel Jugendlichen mit Zweitsprache Deutsch – arbeiten.

In den letzten Jahren wurden sowohl für Leichte als auch für Einfache Sprache Engines entwickelt, die von sich behaupten, Texte in einer der beiden Sprachformen erstellen zu können. Vor allem in Bezug auf Leichte Sprache ist bei der Einbindung von künstlicher Intelligenz Vorsicht geboten. KI kann allenfalls eine Hilfe für Übersetzer*innen sein, diese aber nicht ersetzen. 

Texte in Leichte Sprache zu übersetzen, heißt häufig:

  • im Quelltext eine Auswahl der für die Hauptzielgruppe am relevantesten Infos treffen
  • Weltwissen ergänzen, das Menschen mit einer geistigen Behinderung im Vergleich zu anderen nicht besitzen
  • eine für die Hauptzielgruppe sinnvolle Reihenfolge herstellen
  • zur Veranschaulichung Beispiele aus der Lebenswelt der Hauptzielgruppe finden

Dinge, die KI zum heutigen Zeitpunkt nicht leisten kann!

Beispiele für Einfache und Leichte Sprache

Du fragst dich, wie Einfache und Leichte Sprache konkret aussehen? Hier sind zwei Beispiele, mit denen du die Unterschiede zwischen Einfacher und Leichter Sprache sehen kannst:

Beispiel 1:

Einfache Sprache:
Peter ist krank, weil er gestern zu leicht angezogen war.

Leichte Sprache:
Gestern war Peter den ganzen Tag draußen.

Peter hatte nur eine Jacke an.
Die Jacke war sehr dünn.

Deshalb war Peter sehr kalt.
Und deshalb ist Peter heute krank.

Beispiel 2:

Einfache Sprache:
Wenn Sie Fragen haben, rufen Sie uns bitte unter dieser Nummer an: XXX

Leichte Sprache:
Vielleicht haben Sie Fragen.
Dann rufen Sie uns an.
Unsere Nummer ist:
XXX

Falls du noch mehr über Leichte und Einfache Sprache wissen möchtest, findest du zu beiden Sprachformen zahlreiche Artikel auf meinem Blog. Zum Blog von Andrea Halbritter.

Und ich verschicke auch einen monatlichen Newsletter, zu dem du dich hier anmelden kannst: Zur Newsletter-Anmeldung von Andrea Halbritter.

Häufige Fragen zum Thema

Ein Porträt von Andrea Halbritter

Über Andrea Halbritter

Andrea Halbritter ist Germanistin mit 2. Staatsexamen und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Verständlichkeit von Texten. In Leichter Sprache wurde sie vom Netzwerk Leichte Sprache e. V. und von der Universität Hildesheim ausgebildet. Andrea erstellt vor allem für Gedenkstätten, Museen, politische Parteien und Gesundheitsbehörden Texte in Leichter und Einfacher Sprache.

Du hast noch weitere Fragen?